BGH-Urteile vom 22.05.2018 – VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17

Das Mietrecht in Deutschland beinhaltet einen umfassenden Mieterschutz. Das bedeutet, dass das geltende Recht vorrangig den Mietern Vorteile bringt statt den Vermietern. Ein solcher Vorteil besteht unter anderem darin, dass ein Mieter den Mietvertrag jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen kann. Ein Vermieter hingegen kann einen bestehenden Mietvertrag nur in wenigen Ausnahmefällen beenden, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Kündigung hat. Der Vermieter muss in der Kündigung dem Mieter gegenüber schriftlich das bestehende Interesse begründen. Gem. § 573 Abs. II Nr. 2 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters unter anderem dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt – der sogenannte Eigenbedarf.

Der Vermieter muss in der Kündigung dem Mieter gegenüber schriftlich das bestehende Interesse begründen. Für den Fall der Eigenbedarfskündigung bedeutet das, dass konkret benannt werden muss, für wen der Eigenbedarf geltend gemacht wird. Vom Personenkreis sind neben dem Vermieter selbst nahe Verwandte, wie Kinder, Geschwister und Enkel umfasst. Aber auch weitere Verwandte sowie außerhalb der Familie stehende Personen (Patenkinder, Pflegepersonen …) können von dem zulässigen Personenkreis im Einzelfall umfasst sein, wenn eine besondere persönliche Bindung besteht.

Für den Fall, dass der Vermieter Eigentümer mehrerer Wohnungen ist, muss er zudem in der Kündigung begründen, warum die Eigenbedarfskündigung genau für diese Wohnung ausgesprochen wird. Zudem bedarf es Ausführungen dazu, warum die Kündigung zu diesem Zeitpunkt erfolgt, also der Grund für den Eigenbedarf.

Die nach dem Gesetz vorgeschriebene Kündigungsfrist, die sich nach der Dauer der Mietzeit richtet, ist im Fall einer Eigenbedarfskündigung einzuhalten. Mindestens beträgt die Kündigungsfrist drei Monate, ab fünf Jahren Mietverhältnis sechs Monate und ab acht Jahren beträgt die Frist neun Monate.

Zu beachten ist, dass im Fall von umgewandelten Wohnraum eine Sperrfrist gilt. Als umgewandelten Wohnraum werden Wohnungen bezeichnet, die während der Mietzeit in Eigentumswohnungen umgewandelt und danach verkauft wurden. Nach dem Gesetz ist in diesen Fällen immer eine Kündigungssperrfrist von mindestens drei Jahren vorgesehen. In dieser Zeit kann eine Eigenbedarfskündigung nicht wirksam ausgesprochen werden.

Schließlich muss der Vermieter in der Kündigung auf das gesetzliche Widerspruchsrecht des Mieters hinweisen. Gem. § 574 BGB kann der Mieter bis spätestens zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses der Kündigung widersprechen und vom Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dabei handelt es sich um die sogenannte Härtefallklausel.

Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.

Die beiden aktuellen Entscheidungen des BGH vom 22.05.2019 beziehen sich auf eben diese Härtefallklausel.

Sind im Fall der Eigenbedarfskündigung sowohl auf Seiten des Vermieters als auch des Mieters grundrechtlich geschützte Belange (Eigentum, Gesundheit) betroffen, sind nach der Entscheidung des BGH eine umfassende Sachverhaltsaufklärung sowie eine besonders sorgfältige Abwägung erforderlich, ob im jeweiligen Einzelfall die Interessen der Mieter an der Fortsetzung des Mietverhältnisses diejenigen des Vermieters an dessen Beendigung überwiegen. Bei Vorliegen von Faktoren wie Alter und lange Mietdauer mit damit einhergehender Verwurzelung im bisherigen Umfeld, dürfen die Gerichten nicht pauschal ohne weitere Feststellungen eine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB annehmen. Die Folgen eines Wohnungswechsels wirken sich auf jeden Mieter je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung unterschiedlich aus. Es bedarf daher in jedem Fall einer einzelfallbezogenen Prüfung.

Werden von dem Mieter im Fall des erzwungenen Wohnungswechsels substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend gemacht, so hat das zu entscheidende Gericht regelmäßig bei fehlender eigener Sachkunde ein Sachverständigengutachten einzuholen zu den behaupteten gesundheitlichen Folgen. Ein solches Sachverständigengutachten ist nach der neuen BGH-Rechtsprechung nun regelmäßig von Amts wegen einzuholen, wenn der Mieter eine zu besorgende Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustandes durch ärztliches Attest belegt hat. Nur so ist das Gericht in der Lage eine angemessene Abwägung bei der Härtefallprüfung durchzuführen. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Gerichte zukünftig im Fall von Räumungsklagen auf der Grundlage von Eigenbedarfskündigungen gehalten sind, bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen, näher hinzuschauen und genauer zu prüfen. Eine pauschale Annahme eines Härtefalls bei Vorliegen von Faktoren wie Alter und lange Mietdauer soll so zukünftig verhindert werden.