Viele alte Menschen sind nicht mehr in der Lage, trotz Rente, Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung, privaten Zusatzversicherungen und Rücklagen die Begleichung der Heimkosten und die Deckung des eigenen Lebensunterhalts selbst zu tragen. So muss immer öfter die öffentliche Hand eintreten und in Vorkasse gehen. Die Sozialämter versuchen allerdings dann sich die verauslagten Kosten von den unterhaltspflichtigen Kindern zurückzuholen.

1.Wann bin ich für meine Eltern unterhaltspflichtig?

Wenn Eltern trotz Rente, Leistungen aus der Pflegeversicherung und Rücklagen nicht in der Lage sind die Deckung Ihres Lebensunterhaltes oder die Heimkosten selbst zu tragen, – also bedürftig sind – und auf Seiten des Kindes Leistungsfähigkeit gegeben ist.

Grundsätzlich ist es ja so, dass Eltern ihren bedürftigen Kindern Unterhalt zahlen müssen. Diese gesetzliche Verpflichtung aus dem Familienrecht ist den meisten Menschen bekannt. Dass aber auch Kinder ihren Eltern Unterhalt schulden können, das erfahren viele erst, wenn ihre Eltern in ein Heim kommen und sie plötzlich ein Schreiben vom Sozialamt bekommen, in dem sie aufgefordert werden, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen.

Das ist immer dann der Fall, wenn das Einkommen und Vermögen des Elternteils sowie die Beträge aus der Pflegeversicherung nicht ausreichen, um die Kosten für die Heimpflege zu decken.

Dass die Eltern erst einmal ihr schwer Erspartes aufbrauchen müssen, ist vielen ebenso neu wie die Tatsache, dass man von den Eltern Geschenktes innerhalb der 10 Jahresfrist wieder an die Eltern zurückgeben muss, wenn diese bedürftig werden,
Wenn die Mittel dann aber immer noch nicht ausreichen, kommt ein Unterhaltsanspruch gegen die Kinder in Betracht, vorausgesetzt, diese sind finanziell leistungsfähig genug.

2. Warum ist der Elternunterhalt als schwacher Unterhaltsanspruch ausgelegt?

Der Schutz des erreichten Lebensstandards ist die Konsequenz der schwachen Rangstellung des EU.  Der Elternunterhalt wird als „schwacher“ Unterhalt ausgelegt, da dieser fast allen anderen Unterhaltspflichten (insbesondere dem Kindesunterhalt sowie dem Trennungs- und Geschiedenenunterhalt) gegenüber nachrangig (§ 1609 BGB) ist.  Dass ein Kind gegenüber seinen Eltern unterhaltsrechtlich leistungsfähig ist, wird daher regelmäßig die Ausnahme sein.

Die verhältnismäßig schwache Ausgestaltung des Elternunterhaltes zeigt sich an mehreren Stellen, wie etwa dem erhöhten Selbstbehalt von derzeit 1.800 EUR oder einer umfassenden Anerkennung von Verbindlichkeiten sowie Bildung von Schonvermögen.
Ein Kind, welches für seine Eltern Unterhalt zahlen soll, muss grundsätzlich keine spürbare und dauerhafte Senkung seines eigenen berufs- und einkommenstypischen Lebensniveaus hinnehmen und den erworbenen Lebensstandard wenn er angemessen ist, nicht gänzlich aufgeben müssen, wenn sie Unterhalt für ihre Eltern leisten.

3. Wie hoch muss der Unterhalt sein und welche Freigrenzen hat man als Single (bzw.Familie)

In der Düsseldorfer Tabelle findet sich der sog. Selbstbehalt. So wird der Betrag genannt, der jedem Unterhaltspflichtigen zum Bestreiten seines eigenen Lebensunterhaltes zusteht und auch verbleiben muss. Der Mindestunterhalt darf nicht unterschritten werden. Der Mindestselbstbehalt des alleinstehenden, unverheirateten Kindes gegenüber seinen Eltern beträgt derzeit 1.800 € monatlich. In diesem Betrag sind 480 € Kosten für die Warmmiete enthalten. Bei höheren Wohnkosten kann sich der SB entsprechend erhöhen.

Beispiel: Das unterhaltspflichtige Kind hat eine Warmmiete von 600 € zu bezahlen. Die Differenz zwischen tatsächlichen Mietkosten und im SB enthaltenen Mietkosten beträgt 120 € (600-480). Der SB des Kindes erhöht sich somit auf 1.920 €.

Dem Ehegatten des Unterhaltspflichtigen steht ein angemessener SB zu, mindestens 1.440 €. Der Familien SB beträgt somit 3.240 €.
Wichtig zu wissen: Lebt ein unterhaltspflichtiges Kind in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, kann es sich nicht auf den Familien SB berufen. Dieser ist verheirateten Paaren vorbehalten.

Vom ermittelten unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen wird der entsprechende Mindestselbstbehalt abgezogen.
Vom verbleibenden Betrag muss nur die Hälfte für den EU eingesetzt werden.
Beispiel: Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des unverheirateten Kindes beträgt 2.500 €. Zieht man den SB von 1.800 € ab, verbleiben 700 €. 50% hiervon, d.h. 350 € stehen für den EU zur Verfügung.

4. Was ist wenn ich Hartz IV beziehe? Bin ich dann auch unterhaltspflichtig?

Nein, hier mangelt es bereits an entsprechenden Einkommen.

5. Wie viel von meinem Vermögen darf ich für mich behalten, obwohl ich EU zahlen muss?

Grundsätzlich müssen unterhaltspflichtige Kinder nicht nur ihr Einkommen, sondern auch ihr Vermögen für den EU einsetzen und ggf. auch verwerten. Allerdings nur dann wenn das Einkommen nicht ausreicht um den nötigen Fehlbetrag zwischen Pflegekosten und Einkommen der Eltern zu decken.

  • Vom unterhaltspflichtigen Kind kann nicht die Verwertung seines gesamten Vermögens verlangt werden.
  • Es ist dem Kind immer ein Schonvermögen als Kapitalreserve zu belassen.
  • Geschütztes Vermögen:
  • Besonderen Schutz genießt das selbstgenutzte Eigenheim, welches unantastbar ist.
  • Altersvorsorgevermögen
  • Bildung von Rücklagen
  • Notgroschen

6. Bin ich auch unterhaltspflichtig, wenn mich meine Eltern enterbt haben oder ich seit Jahren keinen Kontakt zu ihnen habe?

Ja, bis auf wenige Ausnahmen besteht der Anspruch auf EU auch dann, wenn kein Kontakt besteht oder die Kinder enterbt werden sollen, was bedeutet, dass ihnen lediglich ein Pflichtteilsanspruch zusteht.

7. Was ist wenn ich selbst plötzlich Geld brauche

Neben der Bildung von Altersvorsorgevermögen wird dem unterhaltspflichtigen Kind zugebilligt, Rücklagen für notwendige Anschaffungen (z.B. neues Auto, neue Heizungsanlage, Instandhaltung des Hauses etc)  zu bilden. Diese müssen notwendig und zweckgebunden sein. Ggf. lässt man sich vorab Finanzierungsangebote oder Kostenvoranschläge machen, damit man diese dem SA vorlegen kann.
Darüber hinaus wird ein sog.Notgroschen für Unwägbarkeiten des Lebens z.B. Krankheit zugebilligt. Ca.10.000 €

8. Wie wird der EU berechnet?

Zunächst ist der Bedarf des Unterhaltsberechtigten zu bestimmen, d.h. was benötigt dieser. Bei Heimunterbringung sind dies die tatsächlichen Kosten des Heims sowie ein Taschengeld z.zT.110,43 €
Von diesem Bedarf sind die eigenen Einkünfte der Eltern aus deren Rente sowie Leistungen aus der Pflegeversicherung und der Grundsicherung abzuziehen.  Es wird also geschaut, inwiefern kann der Elternteil durch eigenes Einkommen seinen Bedarf decken.  Auch sämtliches Vermögen ist bis auf einen kleinen Betrag (Notgroschen 5.000 €) aufzubrauchen.
Wird festgestellt, dass Eltern z.B. die Heimkosten nicht aus eigenen Mitteln d.h. aus eigenem Einkommen und Vermögen zahlen können, sind sie bedürftig und haben grundsätzlich Anspruch auf Unterhalt.

Nur wenn die auf Unterhalt in Anspruch genommenen Kinder überhaupt in der Lage sind EU zu leisten, also leistungsfähig sind, haften sie für den Unterhaltsbedarf der Eltern. Abzuziehen sind :

  • Zusätzliche KV Kosten
  • Zins und Tilg.für Darlehen
  • Vorrangige Unterhaltspflichten (Kinder, gesch.Ehegatten etc)
  • Altersvorsorgeaufwendungen
  • Berufsbedingte Aufwendungen
  • Besuchskosten
  • Nicht abzugsfähig sind Haftpflicht und RS Versicherungen

9. Muss ich mein Haus verkaufen, um für die Pflege der Eltern aufkommen zu können?

Besonderen Schutz genießt das selbst genutzte Eigenheim. Dieses ist unantastbar. Das bedeutet, dass unterhaltspflichtige Kinder nicht zum Verkauf ihres selbstgenutzten Eigenheims gezwungen werden können, falls ihr Einkommen für den EU nicht ausreicht, denn Sie müssen für die Zahlung von Elternunterhalt keine spürbare und dauerhafte Senkung Ihres berufs- und einkommenstypischen Lebensstandards hinnehmen.

Wenn Sie in Ihrem eigenen Haus oder der eigenen Wohnung leben, müssen Sie die ersparten Mietkosten für das zur Bestimmung des Elternunterhalts maßgebliche Einkommen hinzurechnen. Dabei ist nicht die erzielbare Marktmiete anzusetzen, sondern die ersparten Mietkosten (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2012, Az. XII ZR 17/11). Das ist viel weniger, da Zins- und Tilgungsleistungen abgezogen werden.

10. Wie werden die Kosten der Pflege zwischen mehreren Kindern verteilt?

Haben die unterhaltsberechtigten Eltern mehrere Kinder, müssen alle Kinder – sofern auch alle leistungsfähig sind, was vorab geprüft werden muss – anteilig für den Unterhalt der Eltern aufkommen. Für jedes Kind muss das was er zu zahlen hat gesondert bestimmt werden. Das Sozialamt kann sich nicht ein Kind aussuchen und nur von diesem EU verlangen. Das Sozialamt muss daher bevor es von einem Kind Unterhalt fordert darlegen und beweisen, in welcher Höhe die anderen Geschwister leistungsfähig sind. Tut es das nicht, kann das Unterhaltsverlangen des Sozialamtes zurückgewiesen werden.

11. Werden auch Schwiegerkinder in den EU mit einbezogen?

Grundsätzlich gibt es keinerlei gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen zwischen Schwiegerkindern und Schwiegereltern. Einen direkten Zugriff des SA auf das Schwiegerkind kann es daher nicht geben. Das bedeutet, dass das Schwiegerkind grundsätzlich frei über sein Einkommen und Vermögen verfügen kann. Das SA fordert allerdings in der Regel das unterhaltspflichtige Kind auf auch über das Einkommen des Ehepartners Auskunft zu erteilen. Dies hat folgenden Hintergrund: Einkommenslose Ehegatten haben gegen den erwerbstätigen Ehepartner Anspruch auf Familienunterhalt. Im Rahmen dessen hat der nichterwerbstätige Ehegatte neben dem Naturalunterhalt (Wohnen, Bekleidung, Essen etc.) auch einen sog. Taschengeldanspruch. Das Taschengeld beträgt ca.5% des zur Verfügung stehenden bereinigten Nettoeinkommens des erwerbstätigen Ehegatten.

Bei einem Familieneinkommen von bis zu 3.240 € monatlich kann das erwerbslose Kind nicht zur Zahlung von EU herangezogen werden.
Das Vermögen des Schwiegerkindes ist grundsätzlich geschützt und darf überhaupt nicht zur Berechnung des EU herangezogen werden.

12. Worauf muss ich bei der Angabe meiner Vermögensverhältnisse achten?

13. Wie kann ich die Berechnung des Unterhaltes durch das SA nachprüfen?

Am besten durch einen erfahrenen Fachanwalt für Familienrecht der sich mit der Spezialmaterie des Elternunterhaltes auskennt, denn
zu prüfen ist:

  • Einkommen richtig ermittelt?
  • Wurden alle angegebenen Abzüge beachtet?
  • Können weitere Abzüge geltend gemacht werden?
  • Wurden vorrangige U-ansprüche berücksichtigt
  • Selbstbehalt beachtet?
  • Rücklagen anerkannt
  • Geschütztes Vermögen richtig ermittelt?
  • Vermögen des Ehegatten außen vor gelassen
  • Liegen Angaben zum Einkommen der Geschwister vor?
  • Wurden Anteile der Geschwister in der Berechnung berücksichtigt.?

14. Wird meine eigene Altersvorsorge durch EU Zahlungen gefährdet?

Nein, denn jeder hat Anspruch darauf, für sein Alter entsprechend seinem Einkommen adäquat versorgt zu sein. Die Rechtsprechung billigt daher Kindern neben ihrer gesetzlichen Rentenversicherung als zweite Säule zu, noch weitere 5% des Bruttoerwerbseinkommens als zusätzliche Altersvorsorge zu bilden. Folglich gibt es beim EU ein sog. Altersvorsorgeschonvermögen, das sich wie folgt errechnet. Der BGH nimmt 5% des letzten Bruttoeinkommens her, rechnet den Betrag auf die zurückgelegte Lebensarbeitszeit zurück ( ab dem 18.Lbj) und verzinst ihn mit 4%. Der sich so ergebende Betrag stellt das pauschalierte Altersvorsorgevermögen dar und dieses kann einen stattlichen Betrag erreichen.

Als Zusatzversorgung kommen private LBV, Riesterrente, Sparguthaben, Wertpapiere etc. in Betracht. Ein Selbständiger darf bis zu 25% seines jährlichen Bruttoeinkommens für die Altersvorsorge einsetzen.
Beispiel: Unterhaltspflichtiger Mann 45 Jahre alt, 36.000 € brutto Jahreseinkommen.
5% von 36.000 sind 1.800 € pro Arbeitsjahr. Das sind für die zurückgelegten 27 Berufsjahre somit 27×1.800 = 48.600 €
Ist der Unterhaltspflichtige erst einmal in Rente, muss allerdings das dann angesparte Vermögen welches der Altersvorsorge dienen soll zu Einkommen umgewandelt werden und zu EU Zwecken entschont werden.

15. In welchen Fällen sind Kinder von der Unterhaltspflicht für ihre Eltern ausgenommen?

Der Unterhaltsanspruch kann verwirkt sein:
Wenn Eltern ihre Verpflichtung den Kindern gegenüber nicht erfüllt haben, indem sie sie zum Beispiel ohne zwingende Gründe in Pflegebetreuung gegeben haben
Bei Betreuungsdefiziten z.B. in suchtgeprägten Familienverhältnissen
Bei Vernachlässigung
Bei Kontaktverweigerung im Kindesalter
Bei sexueller oder körperlicher Gewalt gegenüber den Kindern
Bei schuldhafter Nichterfüllung ihrer Unterhaltspflicht
Die Beweislast für die Verwirkung liegt beim Kind.