ARBEITNEHMERRECHTE BEI KINDERBETREUUNG IM LOCKDOWN
Auch im zweiten Lockdown kam es wieder zu Schulschließungen in ganz Deutschland. Zwar gibt es seit dem 22. Februar – jedenfalls in Nordrhein-Westfalen – wieder erste Öffnungen zum Präsenzunterricht von Grundschülern und Abschlussklassen, doch findet dieser nur im Schichtsystem und wechselweise statt, und auch dies nur für die vorgenannten Schülergruppen. Oftmals sind die Eltern daher dennoch gezwungen, die Kinder selbst zu Hause zu betreuen, so dass die Situation für berufstätige Eltern weiterhin problematisch bleibt.
In diesem Zusammenhang ergeben sich viele arbeitsrechtliche Fragen:
Wie lange darf der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin der Arbeit fernbleiben? Was ist mit der Entgeltfortzahlung? Und was gilt, wenn das Kind selbst erkrankt? Nachfolgend möchten wir einen Überblick über die wichtigsten Fragen geben.
Dürfen Arbeitnehmer bei einer Schul- oder Kitaschließung zu Hause bleiben um ihr Kind zu betreuen?
Wenn bei Schließung der Kita oder der Schule die Betreuung eines Kindes (das altersbedingt einer Betreuung bedarf) nicht anders sichergestellt werden kann, dann haben die Eltern als Arbeitnehmer grundsätzlich ein sog. Leistungsverweigerungsrecht, weil ihnen dann die Erbringung ihrer Arbeit unzumutbar ist. Vorausgesetzt ist, dass keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit besteht, etwa durch den Ehepartner, Großeltern, Nachbarn oder eine eingerichtete Notbetreuung.
Anspruchsberechtigt sind Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die behindert und hilfebedürftig sind. Die Gesetzesänderung wurde am 18. Dezember 2020 vom Bundesrat verabschiedet.
Besteht im Falle der Kinderbetreuung ein Anspruch auf Lohnfortzahlung?
Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht nur unter sehr engen Voraussetzungen. Gemäß § 616 BGB bleibt der Vergütungsanspruch bestehen, wenn die Verhinderung nur eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ andauert. Dies sind nach herrschender Auffassung höchstens zehn Tage. Der Anspruch aus § 616 BGB kann zudem von vornherein durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen sein.
Besteht der Anspruch auf Lohnfortzahlung auch bei längerer Schul- und Kitaschließung?
Wenn Schulen und Kitas über längere Zeit schließen, so dass ein Betreuungsbedarf der Kinder über mehrere Wochen besteht, entfällt der Anspruch des betreuenden Elternteils auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB vollständig.
Auch ein Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (Kinderpflegekrankengeld) besteht während dieser Zeit nicht, da das Kind nicht wegen einer Krankheit zu Hause betreut werden muss.
Arbeitnehmer haben in dem Fall nur die Option, Überstunden zu nehmen oder bezahlten oder unbezahlten Urlaub zu nehmen. Es dürfte sich stets empfehlen, die Situation mit dem Arbeitgeber zu besprechen, um gemeinsam mit ihm nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen.
Erhalten betroffene Arbeitnehmer eine Entschädigung aufgrund der Kinderbetreuung?
Arbeitnehmer haben seit dem 30. März 2020 gemäß § 56 Abs. 1a IfSG einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie während einer Schul- oder Kitaschließung ihre Kinder selbst betreuen müssen.
Die Regelungen betreffen Eltern mit Kindern unter zwölf Jahren oder behinderten Kindern, die hilfebedürftig sind. Die Entschädigung wird nur gezahlt, wenn Eltern keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit haben und ihnen kein Arbeitsentgelt gezahlt wird.
Der Arbeitgeber muss einem Arbeitnehmer in dem Fall den Verdienstausfall in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens begrenzt auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 Euro erstatten. Diese Verdienstausfallentschädigung kann für maximal zehn Wochen pro Elternteil gezahlt werden. Alleinerziehende haben einen Anspruch auf bis zu 20 Wochen.
Arbeitgeber müssen die Entschädigung längstens sechs Wochen für die zuständige Behörde auszahlen, danach ist der Antrag bei der Behörde selbst zu stellen. Die Betriebe können sich allerdings das ausgezahlte Geld von der zuständigen Behörde zurückholen.
Welche Regelungen gelten, wenn das Kind des Arbeitnehmers in Quarantäne muss?
In Fällen, in denen das Gesundheitsamt ein Kind – nicht aber die Eltern – unter Quarantäne stellt, hat das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (in Kraft getreten am 19. November 2020) durch eine Änderung des § 56 IfSG klargestellt, dass die Eltern nach § 56 Absatz 1a IfSG einen Anspruch auf Entschädigung haben.
Die Entschädigungsregelung des § 56 Absatz 1a IfSG wurde bis zum 31. März 2021 verlängert. Zudem wurde bei der Entschädigungsregelung für Eltern festgehalten, dass bei einem unter Quarantäne gestellten Kind ebenfalls eine Entschädigungszahlung möglich ist.
Besteht ein Anspruch auf Kinderkrankengeld?
Ein Anspruch auf Kinderkrankengeld setzt prinzipiell voraus, dass Eltern ein krankes Kind betreuen müssen. Erwerbstätige Eltern dürfen grundsätzlich zehn Arbeitstage im Jahr freinehmen, um ein krankes Kind zu betreuen, und erhalten dafür Kinderkrankengeld.
Im Regierungsbeschluss vom 5. Januar 2021 war angekündigt worden, gesetzlich zu regeln, dass das Kinderkrankengeld im Jahr 2021 für zehn zusätzliche Tage pro Elternteil (20 zusätzliche Tage für Alleinerziehende) gewährt wird. Diese Änderung des § 45 SGB V wurde inzwischen von Bundestag verabschiedet und am 18.01.2021 vom Bundesrat genehmigt.
Der Anspruch auf Kinderkrankengeld gilt nun auch ohne Erkrankung eines Kindes für die Fälle, in denen eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich wird, etwa weil die Schule oder der Kindergarten bzw. die Klasse oder Gruppe pandemiebedingt geschlossen ist oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt.
Ein ärztliches Attest brauchen Eltern in diesen Fällen nicht. Sie müssen stattdessen bei der Krankenkasse nachweisen, dass der Betreuungsbedarf besteht. Die Krankenkasse kann die Vorlage einer Bescheinigung der Einrichtung oder der Schule verlangen.
Das Kinderkrankengeld berechnet sich wie jenes Krankengeld, das Arbeitnehmer von der Krankenkasse erhalten, wenn die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers nach sechs Wochen endet: Es beträgt 70 Prozent des regelmäßig erzielten Bruttogehalts bis zur Beitragsbemessungsgrenze (2021: 4837,50 Euro pro Monat), höchstens aber 90 Prozent des letzten Nettoarbeitsentgelts.
Betroffene Arbeitnehmer können frei entscheiden, ob sie die Entschädigung für Verdienstausfälle in Anspruch nehmen oder das Kinderkrankengeld.