Die nachfolgenden Beiträge unseres Erbrechtsexperten Rechtsanwalt Ralf Alexander Muhs erschienen in den Ausgaben des KölnerStadtAnzeiger, der Kölnischen Rundschau  und im Express.

Ausgaben vom 19.01.2016

Teil 1: Wer erhält nach dem Gesetz den Nachlass?

Wer überlegt, ob er ein Testament benötigt oder wie er dieses richtig aufsetzt, muss sich zunächst immer verdeutlichen, wer nach dem Gesetz erben würde.

Nach deutschem Recht erben immer nur Verwandte. Vererbt wird nach sogenannten Ordnungen. Erben erster Ordnung sind eheliche, nichteheliche und adoptierte Kinder. Personen zweiter Ordnung sind Eltern und danach Geschwister sowie weiter Nichten und Neffen. Erben dritter Ordnung sind Großeltern, danach Tanten und schließlich Cousinen und Cousins.
Beispiel 1: Der Erblasser ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Seine Eltern leben noch. Im Todesfall erhalten die Eltern den Nachlass. Nahe Verwandte schließen entferntere Verwandte aber aus.
Beispiel 2: Der Erblasser hat eine Tochter. Seine Mutter lebt noch. Im Todesfall erbt allein die Tochter.

Ausnahme Ehegatte

Außerhalb der Verwandten gibt es das Erbrecht des Ehegatten. Es richtet sich nach dem Güterstand. Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhält ein überlebender Ehegatte neben Kindern ein Viertel und neben Verwandten zweiter Ordnung (Eltern) die Hälfte. Der Erbteil erhöht sich um einen weiteren Teil von ein Viertel als pauschalierter Zugewinnausgleich.
Beispiel 3: Der Erblasser hinterlässt seine Ehefrau und einen Bruder. Die Eltern sind bereits verstorben. Die Ehefrau erbt dann die Hälfte plus ein Viertel – also drei Viertel, der Bruder ein Viertel. Wer darauf vertraut, die Ehefrau würde alles allein erben und er benötige daher kein Testament, liegt falsch. Leben die Ehepartner im Güterstand der Gütertrennung, kommt es auf die Anzahl der Kinder an.

Ist ein Kind vorhanden, erbt der Partner neben dem Kind die Hälfte, sind zwei Kinder vorhanden, bekommen Partner und Kinder jeweils ein Drittel. Bei drei Kindern beträgt die Erbquote für alle ein Viertel. Diese gesetzliche Ausgestaltung wird der heutigen Situation oft nicht gerecht. So kennt das Gesetz bei jahrzehntelangem Zusammenleben ohne Trauschein keinerlei Anspruch.

Wenn es noch weitere Kinder gibt

Auch in Fällen sogenannter Patchworkehen, also wenn eine zweite oder dritte Ehe geschlossen wird und die Eheleute Kinder aus Vorehen mitbringen, führen die gesetzlichen Regelungen zu nicht gewollten Ergebnissen.
Beispiel 4: A und B heiraten in jeweils zweiter Ehe. Jeder bringt aus erster Ehe ein Kind mit. Aus ihrer Ehe gehen noch zwei weitere Kinder hervor. Stirbt in diesem Fall die Ehefrau, wird sie von ihrem zweiten Ehemann zu der Hälfte sowie den beiden gemeinsamen Kindern und dem Kind aus erster Ehe zu je einem Sechstel beerbt.

Stirbt umgekehrt zuerst der Ehemann erbt neben dem Ehepartner und den gemeinsamen Kindern dessen Kind. Die Erbfolge ist damit ein Zufallsergebnis. Auch irrige Annahmen wie „Mein Ehepartner erbt sowieso.“ (siehe Beispiel 3) oder „Am Ende bekommen meine Kinder ohnehin alles.“ führen ebenfalls regelmäßig zu nicht gewollten Ergebnissen oder es wird nicht hinreichend bedacht, dass das von Eheleuten gemeinsam geschaffene Vermögen für den Fall der Pflege oder das Alter benötigt wird. Daher empfehlen Experten: Jeder braucht ein Testament.

Ausgaben vom 02.02.2016

Teil 2: Das sind die Folgen von Pflichtteilsansprüchen

Wird durch ein Testament die gesetzliche Erbfolge geändert, kann dies Pflichtteilsansprüche auslösen. Manchmal mit verheerenden Folgen. Dies ist der zweite Teil unserer Serie zum Thema Erbrecht. Der dritte Teil erscheint am 17. Februar.

Dem Willen des Erblassers kommt große Bedeutung zu. Die Errichtung eines sogenannten Berliner Testaments, bei dem sich Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben und etwa Kinder zum Erben des Längerlebenden einsetzen, führt – bezogen auf den Tod des ersten Gatten – zwar zu einer Enterbung der Kinder. Kindern, Eltern und Ehegatten steht aber ein Pflichtteilsrecht zu. Weitere Berechtigte gibt es indes nicht.

Fallbeispiele

Beispiel: Der Erblasser setzt seinen Gatten zum Alleinerben ein, Kinder gibt es nicht, die Eltern sind bereits verstorben. Dem Bruder steht kein Pflichtteil zu.
Der Pflichtteil bedeutet keine Teilhabe am Erbe, sondern nur einen Geldanspruch. Gegenstände können nicht gefordert werden. Zur Durchsetzung des Anspruchs steht dem Enterbten ein Auskunftsrecht zu. Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote.

Beispiel: Der Erblasser setzt seine Frau zur Alleinerbin ein und enterbt so den Sohn. Der Nachlasswert liegt bei einer Million Euro. Der Anspruch des Sohnes beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote von 50 Prozent: 250.000 Euro. Die Geltendmachung kann dazu führen, dass Vermögen veräußert werden muss oder später nicht genug Vermögen vorhanden ist, um die eigene Pflege zu bezahlen.

Die Schenkung

Bei der Berechnung werden zusätzlich Schenkungen der letzten zehn Jahre berücksichtigt. Es gilt das Abschmelzmodel. Der Wert wird binnen des ersten Jahres vor dem Erbfall voll, innerhalb jedes weiteren Jahres um je ein Zehntel geringer berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

Dies gilt nicht, wenn der Schenkende eine Immobilie verschenkt und sich ein Nießbrauchs- oder Wohnrecht vorbehält. In solchen Fällen gilt die Zehn-Jahre-Frist nicht. Bei Schenkungen unter Ehegatten greift die Frist sogar nie, sodass alle Schenkungen berücksichtigt werden, auch wenn mehr als zehn Jahre vergangen sind.

Möglichkeiten der eigenen Gestaltung

Wer die Geltendmachung fürchtet oder Ansprüche reduzieren will, hat Möglichkeiten. So bietet es sich an, mit den Kindern über einen Pflichtteilsverzicht – bezogen auf den Todesfall des ersten Elternteils – zu sprechen. Dieser bedarf der notariellen Beurkundung. Kommt dies nicht in Betracht, kann ins Testament eine Pflichtteilsbestrafungsklausel aufgenommen werden. Mit dieser wird insbesondere Kindern „gedroht“, beim Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil nicht zu verlangen, weil ansonsten auch im zweiten Erbfall nur der Pflichtteil anfällt.

Zur Reduzierung von Ansprüchen kommen lebzeitige Gestaltungen in Betracht, wie die Übertragung einer Immobilie unter Nießbrauch oder Wohnrecht. Dann gilt zwar die Zehn-Jahres-Frist nicht. Erfolgt die Übertragung zum richtigen Zeitpunkt, reduziert der Wert des Nießbrauchs oder Wohnrechts den Wert der Schenkung erheblich, sodass sich kein oder nur noch ein geringer Anspruch ergibt.

Die oft anzutreffenden Patchworkehen führen in vielen Fällen dazu, dass die Kinder des erstversterbenden Ehegatten Ansprüche geltend machen (müssen), um etwaige Ansprüche nicht zu verlieren. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Pflichtteilsansprüche nach drei Jahren verjähren. Frühzeitige Gestaltung ist daher auch in solchen Fällen besonders wichtig.

Ausgaben vom 17.02.2016

Teil 3: Das sollte in jedem Testament stehen

Testamente kann jeder selbst errichten – und später ändern –, muss aber beachten, dass der gesamte Text von Hand geschrieben, mit Datum versehen und (von beiden Eheleuten) persönlich unterschrieben werden muss.

Wer sich mit den Grundsätzen der gesetzlichen Erbfolge und des Pflichtteilsrechts (Teil 1 und 2 dieser Reihe) vertraut gemacht hat, kann die konkrete Planung angehen. Dabei muss zunächst entschieden werden, ob für die letztwillige Verfügung in Form eines Testaments, eines gemeinschaftlichen Testaments (für Eheleute) oder eines Erbvertrages gewählt wird. Bei notarieller Beurkundung sind alle Formen möglich.

Die Erbfolge bestimmen

Zunächst muss im Testament ein Erbe bestimmt werden. Eheleute setzen sich oft wechselseitig zu Alleinerben ein und bestimmen die Kinder zu Schlusserben („Berliner Testament“). Dabei sollte auch ein Ersatz benannt werden. Dieser erbt dann, wenn der zunächst vorgesehene Begünstigte nicht zur Erbfolge gelangt, etwa weil er verstorben ist. In manchen Fällen ist zudem die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft angezeigt.

Dabei erbt zunächst der Vorerbe

Bei ihm wird der Nachlass aber nur „geparkt“, bis er zum Beispiel verstirbt. Dann erhält der Nacherbe den Nachlass. So sind Gestaltungen selbst über Generationen hin möglich, oder es werden unerwünschte Pflichtteilsergebnisse vermieden. Wer einzelne Vermögensgegenstände aus dem Nachlass weitergeben will, setzt ein Vermächtnis aus. Auch Auflagen sind möglich – zum Beispiel, dass der Erbe regelmäßig die Grabstelle pflegen oder einer dritten Person einen Geldbetrag zuwenden soll. Dabei muss aber bedacht werden, dass sich der Erbe über diese Anordnungen hinwegsetzen kann.

Mit der Abfassung des Testaments Streit unter Erben vermeiden

Neben eindeutigen Formulierungen kann beispielsweise die Anordnung dienen, wie der Nachlass unter den Erben konkret verteilt wird (Teilungsanordnung) und wie mit wirtschaftlichen Ungleichgewichten umgegangen wird. Die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers dient ebenfalls nachhaltig der Befriedung unter den Erben, wobei es sich idealerweise um eine außenstehende und neutrale Person handeln sollte. Diese ann dafür bestimmt werden, den Nachlass unter den Erben entsprechend den Anordnungen im Testament zu verteilen oder den Nachlass für eine bestimmte Dauer zu verwalten – etwa bis die Erben das 25. Lebensjahr erreicht haben. Daneben setzt er Auflagen um und wendet die Vermächtnisgegenstände dem Empfänger zu.

Sonstige Regelungen

Möglich sind noch viele weitere Anordnungen. So zum Beispiel die Pflichtteilsbestrafungsklausel, die Bestimmung einer Person, die sich um die minderjährigen Kinder kümmert, Regelungen über erbrachte Pflegeleistungen sowie eine Klausel für den Fall der Wiederverheiratung. Ebenfalls dazu gehören etwa ein Abänderungsvorbehalt für den längerlebenden Ehegatten sowie die Anordnungen zur Wahl des Rechts, nach dem der Nachlass weitergegeben werden soll. Und schließlich sollte eine mögliche Erbschaftssteuer bedacht werden: Ehegatten (Freibetrag 500.000 Euro) und Kinder (400.000 Euro) haben einen Eingangssteuersatz von sieben Prozent.

Für entferntere Personen (20.000 Euro) beginnt dieser bei 30 Prozent. Wer ein Testament errichtet, sollte sich schließlich dazu immer mit den Möglichkeiten einer lebzeitigen Übertragung auseinandersetzen. Oftmals liegt hierin ein wichtiges Mittel zur Reduzierung der Steuerbelastung und Pflichtteilsansprüche.

Ralf Alexander Muhs
Fachanwalt für Erbrecht

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